»Ich bin dankbar für die großartige Chance, Verantwortung zu übernehmen.«

Herr Dulig, Sie treten bereits zum fünften Mal im Wahlkreis Meißen 4, also in Radebeul, Coswig und Moritzburg, an – warum?

Es ist meine Heimat. Hier lebe ich, hier bin ich verwurzelt. Ich habe meine Kindheit in Meißen verbracht und lebe seit 1983 in Moritzburg. Hier sind meine Kinder in den Kindergarten und in die Schule gegangen. Hier habe ich Volleyball gespielt und im Posaunenchor musiziert. Hier schaffe ich mein Auto in die Werkstatt und hole morgens frische Brötchen vom Bäcker. Hier treffen wir uns mit Freunden und Nachbarn zum Grillen und Weintrinken. Ich kenne meine Region, ich kenne die Menschen. Das ist mein Zuhause.

Haben Sie überhaupt noch Zeit für Privates und für Ihre Hobbys?

Natürlich ist der Job eines Ministers nicht in einer 40-Stunden-Woche zu erfüllen, und es bleibt viel zu wenig Zeit für die eigene Familie und für sich selbst. Aber ich will nicht jammern. Vielmehr geht es darum, die wenige Zeit intensiv zu nutzen. Immerhin kommen wir inzwischen mit Kindern, Schwiegerkindern und Enkeln auf 16 Familienangehörige. Gemeinsame Unternehmungen sind mir sehr wichtig: Wandern, Spielen oder Musik machen. Ich genieße das! Nun ja, mit den Hobbys ist es zwangsläufig etwas weniger geworden. Ich versuche, so häufig wie möglich zu joggen, um fit zu sein und den Kopf freizubekommen. Ich freue mich, wenn ich mit meiner Trompete im Posaunenchor mitspielen und mich beim Volleyball austoben kann. Ansonsten genießen wir gern auch mal die Ruhe und Entspannung in einer Sauna.

Sie sind seit zehn Jahren Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Wollen Sie das bleiben?

Sehr gern. Ich bin dankbar für die großartige Chance, Verantwortung zu übernehmen. Eben nicht nur reden, sondern machen. Ganz konkret. Mein Ressort ist so vielfältig aufgestellt: von Digitalisierung bis Bergbau, vom Radwegebau bis zur City-Initiative „Ab in die Mitte“, von der Stärkung des ÖPNV bis zum Straßenbau, von der Mikroelektronik bis zum Handwerk, vom Elektroauto bis zur Kreativwirtschaft, von den Löhnen bis zum Arbeitsschutz. Wir haben in den vergangenen  Jahren viel erreicht, aber es gibt noch wahnsinnig viel zu tun. Gerade in diesen Zeiten rasanter Veränderungen ist es notwendig, einen klaren Kurs zu haben, um die Menschen und die Wirtschaft sicher in die Zukunft zu bringen.

Bevor wir über die Zukunft reden: Was haben Sie denn als Minister erreicht?

Auch wenn viele Dinge bereits als Normalität abgebucht sind, bin ich besonders stolz auf das Bildungsticket. Es ist ein großer Erfolg! Damit konnten wir Familien ganz konkret entlasten. Sie zahlen jetzt nur noch 15 Euro im Monat und können das Ticket im ganzen Verbund nutzen. Wir haben Plus- und Taktbusse eingeführt und damit das Versprechen gehalten, dass mehr Busse und Bahnen fahren. Generell haben wir massiv in den Nahverkehr investiert. Ich bin stolz auf die Ansiedlungen von Unternehmen, die uns in den vergangenen Jahren gelungen sind bzw. die jetzt umgesetzt werden. Wir haben die Wirtschaft in Sachsen gut durch die Krisen manövriert mit zahlreichen Förder- und Darlehensprogrammen. Unsere  Wirtschaft steht gut da. Wir haben die höchste Beschäftigungsquote seit der Neugründung des Freistaates. Die Löhne sind nach oben gegangen, auch wenn wir noch einen zu hohen Anteil an Mindestlohnempfängern haben. Also ich ziehe eine positive Bilanz. Denn egal, ob man die großen Themen wie die Ansiedlung von Bosch und TSMC nimmt oder die kleineren konkreten Maßnahmen vor Ort wie den Fußgängerüberweg in Moritzburg, die Ertüchtigung der Meißner Straße in Radebeul oder die lang erwartete Sanierung der Berliner Straße in Coswig – der Einsatz für Land und Leute lohnt.

Also mit allem zufrieden?

Nein. Selbstzufriedenheit wäre ein schlechter Ratgeber. Und trotz der guten Entwicklung gibt es genügend Baustellen und Probleme, die noch angegangen werden müssen. Aber ich will auch nicht in den Chor derjenigen einstimmen, die alles nur schlecht sehen oder schlecht reden. Auch in den jetzigen anstrengenden Zeiten darf man den Blick auf das Gelungene, für das Positive nicht verlieren. Ich verstehe sehr wohl die Leute, die sich nach den vielen Krisen überfordert oder gegängelt fühlen. Und ja, es sind auch einige Fehler in der Politik gemacht worden. Keine Frage. Aber nur vom Nörgeln wird nichts besser. 

Aber was sagen Sie der Rentnerin, die nicht weiß, ob die Rente reicht? Was sagen Sie dem Unternehmer, der 

aufgrund der hohen Energiepreise nicht weiß, ob er noch investieren soll?

Ja, Sie legen schon den Finger in die Wunde. Die schlechte Stimmung aktuell führt zu den Fragen, die Sie aufwerfen und auch mir fast täglich gestellt werden. Vieles hat mit den krisenhaften Entwicklungen der vergangenen Jahre zu tun. 

Putins Krieg in der Ukraine hat bei uns die Energiepreise nach oben katapultiert und bei vielen Menschen und Unternehmen Existenzängste ausgelöst. Ich kann mich sehr gut an die Begegnung im Jahr 2022 mit einer älteren Frau erinnern, die mir ihren Rentenbescheid in Höhe von 580 Euro zeigte und in den anderen Hand das Schreiben mit einer angekündigten Abschlagszahlung für Energie in Höhe von 600 Euro hielt. Das ist doch Wahnsinn! Zum Glück hat dann die Bundesregierung die Gas- und Strompreisbremse eingeführt. Und zum Glück sind aktuell die Energiepreise an  den Handelsbörsen wieder unter Vorkriegsniveau, nur muss das noch beim Kunden ankommen. Und generell zur Höhe der Rente sei gesagt: Zum einen haben wir als SPD sehr dafür gekämpft, dass es eine Grundrente gibt und Menschen, die trotz ihres wechselvollen Arbeitslebens nur eine Grundsicherung erhalten hätten, jetzt eine bessere Rente bekommen. Und zum anderen hat Rente immer etwas mit dem Lohn zu tun. Genau deshalb engagiere ich mich so für höhere und gute Löhne, die im besten Fall Tariflöhne sind.

Und was sagen Sie nun den Unternehmen, die 

verunsichert sind?

Was die Energiepreise betrifft, gilt hier auch das, was ich in Bezug auf die Rentnerin gesagt habe. Entscheidend ist nur, dass wir dauerhaft sichere und bezahlbare Energie zur Verfügung haben. Und das geht nur über den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Ruf aus der Industrie ist deshalb auch so laut. Egal, ob es Ansiedlungen sind, die erneuerbare Energien zur Bedingung machen oder unsere Industrieregion im Meißner Industriebogen, wo Chemie- und Stahlunternehmen einen hohen Energiebedarf haben und nur erfolgreich die Transformation bestehen werden, wenn sie grünen Wasserstoff und ausreichend Strom aus Wind oder Sonne zur Verfügung haben. Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen: Sachsen und gerade unsere Region werden an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen, und wir beschleunigen die Genehmigungsverfahren bei den erneuerbaren Energien. Wir wollen den Unternehmen die Sicherheit geben, dass sie jetzt in die Zukunft investieren können. Sachsen ist ein erfolgreiches Industrieland und soll es bleiben.

Etliche  Unternehmer beschweren sich aber, dass Sie immer

über die Großansiedlungen reden, nicht aber vom Mittelstand, der Sachsens Wirtschaft prägt. Und außerdem wächst bei den Mittelständlern die Angst, dass ihnen die Mitarbeiter abgeworben werden angesichts  der massiven Investitionen in die Mikroelektronik und deren wachsenden Arbeitskräftebedarf.

Ich habe immer darauf hingewiesen, dass Sachsen ein Land von kleinen und mittleren Unternehmen ist. Es ist eben nicht nur ein hohler Spruch, wenn wir sagen, dass der Mittelstand das Rückgrat unserer Wirtschaft ist. Es sind die vielen Handwerksbetriebe, die kleinen Dienstleistungsunternehmen oder die mittelständischen Industrieunternehmen, die die Vielfalt unserer Wirtschaftslandschaft ausmachen. Aber auch diese leben davon, dass wir in Sachsen prägende große Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, des Automobilbaus oder der Mikroelektronik haben. Mir ist wichtig, dass die großen Investitionen in den nächsten Jahren tatsächlich auch im Kleinen ankommen. Dass es eine gesunde Wirtschaftsstruktur gibt und eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung überall im Land stattfindet. Denn das schafft gute Arbeitsbedingungen und die Sicherheit, dass wir auch in Zukunft noch ausreichend und gute Arbeit haben.

Und die Arbeitskräfte?

Ja, das ist tatsächlich aktuell die größte Herausforderung. Und sie betrifft alle Bereiche. Ob fehlende Lehrerinnen und Lehrer oder fehlende Fachärzte in den ländlichen Regionen, ob zu wenige Busfahrer oder die fehlende IT-Fachkraft – überall spüren wir bereits jetzt den Mangel an Arbeits- und Fachkräften. Und das Problem wird in den nächsten Jahren zunehmen. Denn aufgrund der Altersstruktur in unserem Land werden sich viele Menschen in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden, aber es kommt keine junge Generation nach, weil viel zu wenig Kinder geboren wurden. Deshalb ist es zum einen wichtig, gute Löhne zu zahlen und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit die Menschen bei unseren sächsischen Unternehmen bleiben. Und wir können  Reserven nutzen.  Ich denke dabei zum Beispiel an die viel zu vielen Jugendlichen, die  die Schule ohne Abschluss verlassen und fast keine Chance haben, eine gute Ausbildung zu absolvieren und einen lukrativen Job zu bekommen. Ihnen müssen wir stabile Brücken bauen. Wir müssen aber auch unseren Unternehmen weiterhin helfen, ihre Arbeitsprozesse zu automatisieren, damit sie auch mit weniger Arbeitskräften produktiv sein können. Und wir brauchen Fachkräfte aus der ganzen Welt, damit wir unseren Wohlstand auch in Zukunft sichern können. Aber keine Sorge! Wir haben genügend Arbeit. Niemand muss arbeitslos werden. Wir werden nur zum einen das Arbeitskräfteproblem nicht mathematisch lösen und zum anderen ist es auch richtig und wichtig, dass wir Menschen von schweren Belastungen befreien – und da können Künstliche Intelligenz und Roboter helfen. Also keine Angst!

Aber wovor fürchtet sich Martin Dulig?

Angst ist grundsätzlich erstmal kein guter Ratgeber. Trotzdem machen mir natürlich auch die Entwicklungen in  der Welt und in unserer Gesellschaft große Sorgen. Ich finde es schlimm, wenn man gar nicht mehr in der Lage ist, vernünftig und anständig miteinander zu reden, weil vieles so polarisiert bewertet wird. Man hört oft gar nicht mehr hin, was der andere meint. Und die Auseinandersetzungen werden aggressiver. Das bereitet mir wirklich Sorgen. Wer will denn in Zukunft überhaupt noch Verantwortung übernehmen, wenn man dafür angefeindet und beschimpft wird? Das nutzen politische Kräfte aus, die davon leben, Probleme so zu skandalisieren, dass Lösungen und Kompromisse unmöglich und Angst und Hass zum politischen Geschäftsmodell werden. 

Ich bin stolz auf das, was die Menschen hier bei uns erreicht haben. Gerade in Radebeul, in Coswig oder in meinem Heimatort Moritzburg.  Das sollten wir uns auch nicht kaputtreden lassen. Ich will die Stimme der Vernunft aus unserem Landkreis sein. Die Stimme, die für Anstand und die Mitte steht. Ich bin Martin Dulig. Ich komme von hier. Sie wissen, wer ich bin und was sie von mir und mit mir bekommen.

aus dem Dulig-Magazin Juni 2024