Herr Dulig, wie haben Sie nach der schweren Niederlage Ihrer Partei sowohl zu den Europa- als auch Kommunalwahlen den Wahlabend verbracht?
Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben den Wahlabend nicht vor dem Fernseher oder mit Parteifreunden verbracht. Ich habe mein Geburtstagsgeschenk mit meiner Frau und Freunden beim Konzert von Herbert Grönemeyer eingelöst. Dort habe ich natürlich via Handy die Wahlergebnisse verfolgt und auch viele Nachrichten und Anrufe erhalten. Es tat aber gut, mit so vielen gut gelaunten Menschen den Abend in einer fröhlichen Umgebung zu verbringen.
Nur noch 5,4 Prozent der Wähler haben ihr Kreuz bei der SPD gemacht. Was sind die Gründe?
Es gibt vielfältige Gründe, die wir schon seit Jahren beobachten. Gerade beim kommunalen Ergebnis ist es ein Resultat der Mischung aus aufgeheizter Stimmung, komplexen Themen und antretenden Personen. In unserem Land gibt es eine Grundunzufriedenheit, die mit den realen Zahlen – etwa der wirtschaftlichen oder finanziellen Entwicklung – nur wenig zu tun hat. Viele Menschen sind in dieser Zeit, die von so vielfältigen Problemen bestimmt wird, einfach überfordert. Uns als SPD ist es noch nicht gelungen, unsere Politik so zu gestalten, dass die Menschen wieder Sicherheit empfinden.
Im Grunde wurde die gesamte Ampel abgestraft. Was macht die Berliner Ampel-Regierung falsch?
Ich mache es mir nicht so leicht, vorschnell mit dem Finger nach Berlin zu zeigen. Die Problemlage ist viel zu komplex, als dass man nach 24 Stunden bereits sagen könnte: Daran lag es! Viele Menschen fühlen sich derzeit gekränkt und ungerecht behandelt, sie empfinden Verlustängste und glauben, der Staat setzt überall anders Prioritäten, nur nicht bei Ihnen. Wir müssen prüfen, ob wir unsere Politik wirklich ausreichend erklären und die richtigen Schwerpunkte setzen. Das fängt im Bund an und endet im Gemeinderat. Die Menschen müssen spüren, dass unsere Politik ihnen die Sicherheit zurückgibt, dass es um sie geht und dass sie in Zukunft hier gut leben können. Natürlich hat der Bundestrend auch durchgeschlagen und war für die Kommunalwahl nicht gerade hilfreich
Welche Auswirkungen haben diese Ergebnisse für Ihren Landtagswahlkampf?
Es wird kein einfacher Wahlkampf. Ich werde, so wie man mich kennt, kein Gespräch scheuen und meine Politik und die meiner Partei erklären. Ich bin der Kandidat der Mitte. Ich möchte Menschen zusammenführen, die Gesellschaft nicht spalten. Ich möchte eine Veränderung zum Positiven. Es ist wichtig, dass die Menschen verstehen, dass im Herbst keine schwarz-blaue Wahl ansteht. Viele Menschen glauben, es sei nicht so wichtig, den kleineren Parteien ihrer Stimme zu geben. Aber das ist nicht der Fall. Wenn man Michael Kretschmer als Ministerpräsident behalten möchte, dann braucht es eine starke SPD im Landtag, damit die CDU überhaupt wieder eine Regierung bilden kann.
Ihre Frau ist erneut für die SPD in den Moritzburger Gemeinderat eingezogen. Sie selbst wurden in den Kreistag gewählt. Familie Dulig ist bei den Wahlen recht erfolgreich gewesen, oder?
Wir freuen uns sehr über das Vertrauen. Ich wünsche Susann viel Kraft und Durchhaltevermögen. Meine Frau hat einen klaren Kompass und viele gute Ideen. Die SPD hat in Moritzburg satte 22,1 Prozent geholt, darauf bin ich megastolz. Wir haben unser Ergebnis gehalten, obwohl es die SPD bei dieser Wahl wahrlich nicht einfach hatte! Ich selbst freue mich auf die Arbeit im Kreistag, da ich immer gesagt habe, dass ich es für sehr wichtig halte, Hand in Hand auf kommunaler und Landesebene zu arbeiten.
Wie beurteilen Sie die neue Konstellation mit einer Dominanz der AfD im Meißner Kreistag?
Es wird nicht leichter werden, gute Beschlüsse für die Menschen in unserem Landkreis umzusetzen. Die AfD war noch nie konstruktiv. Ihr Erfolg lag immer darin, zu sagen, was sie nicht will. Was nicht geht. Was anders sein muss. Eigene Konzepte und Ideen mussten noch nie dem Realitätscheck bestehen. Das wird jetzt anders. Wir alle müssen nun einen Umgang mit der neuen Zusammensetzung des Rates finden und schauen, wie wir eine gute und konstruktive Politik für die Menschen in unserem Landkreis machen. Denn das erwarten sie von uns.
Was rechnen Sie sich selbst für die Landtagswahl aus in Ihrem Radebeuler-Coswiger-Moritzburger Wahlkreis gegen Sven Eppinger von der CDU und Rene Hein von der AfD? Sie sind nicht mehr Listenplatz eins, aber mit vorn. Das wird sicher reichen, oder?
Ich freue mich auf die inhaltliche Auseinandersetzung im Wahlkreis. Ich bin von hier. Ich bin Moritzburger, kenne meinen Wahlkreis und die Sorgen und Hoffnungen der Menschen. Ich bringe Lösungen und Ideen in den Wahlkampf ein. Ich möchte die gespaltene Gesellschaft wieder verbinden. Mein Wahlkreis verdient einen Abgeordneten im Landtag, der wirklich die Interessen der Menschen vertritt und etwas für sie erreichen kann und nicht nur Populismus und schlechte Stimmung transportiert. Ich bin der Kandidat der Mitte. Bei mir wissen die Wählerinnen und Wähler, was sie bekommen. Die Menschen kennen meine Überzeugungen. Die SPD hat mit Petra Köpping eine tolle Kandidatin – wir arbeiten seit Jahrzehnten gut und vertrauensvoll zusammen. Wir sind und bleiben ein super Team.
Was ist ihr Ziel nach der Wahl? Können Sie wieder Minister in einer Koalitionsregierung werden?
Ich möchte das Direktmandat gewinnen. Ich will wieder ein starkes SPD-Ergebnis im Wahlkreis erzielen. Und nach der Landtagswahl wird geschaut, ob eine demokratische Regierung mit SPD-Beteiligung möglich ist. Natürlich würde ich dann gern Wirtschaftsminister bleiben – dafür
bekomme ich viel Zuspruch nicht nur von der Partei-Basis. Ich habe sehr viel erreichen können in meiner Amtszeit, vieles auf den Weg gebracht. Aber es gibt noch immer viel zu tun in Sachsen. Und eine Stimme der Vernunft, die Probleme auch mal vom Ende her denkt und nicht nur auf die schnell Schlagzeile schielt, braucht es in der Regierung weiterhin.
Was machen Sie, wenn die SPD den Einzug in den Landtag verpasst?
Das wird nicht passieren. Also muss ich mir darüber auch keinen Kopf machen.
Es fragte Ulf Mallek.
Interview in der Sächsischen Zeitung am 12.06.2024