Im Doppelinterview sprechen Gesundheitsministerin und SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping und Martin Dulig über Erfolge, Krisen, die politische Konkurrenz oder warum ein „Sie“ noch immer erlaubt ist.
Hochsommer und Wahlkampf: Frau Köpping, Herr Dulig, macht das Spaß?
Petra Köpping (PK): Natürlich macht es Spaß. Ich mache viele Marktplatz-Touren, bei denen wir die Menschen auf einen Kaffee einladen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Viele warten da und wollen mit uns reden – auch über Fragen, die nicht so einfach zu beantworten sind. Gerade wenn es um das Thema Krieg in der Ukraine geht oder um Migration. Ich weiche keinem Thema aus. Bisher kann ich nur sagen, dass die Menschen mir ein Dankeschön geben und uns viel Erfolg wünschen.
Martin Dulig (MD): Ich erlebe gerade, dass die direkte Stimmung im Land viel besser ist als die transportierte. Wahlkampf macht mir schon immer Freude. Da gibt es den direkten Austausch, man bekommt direkte Rückmeldungen. Ich spüre, dass Stück für Stück auch das Interesse an den Themen wächst, die wir im Wahlkampf ansprechen und für die wir Lösungen anbieten. Die Leute bewegt es schon, wer dieses Land künftig regieren wird. Sie haben auch Sorgen, dass das schiefgehen kann. Andere tragen ihren Frust vor. Wahlkampf ist natürlich auch harte Arbeit und nicht nur ein Zuckerschlecken.
Sie reden ja nicht nur im Wahlkampf mit den Menschen…
PK: Nein, ich bin mit meiner „Kaffeetasse“ auch sonst die ganze Zeit in Sachsen unterwegs. Und Martin, Du seit 2014 mit Deinem Küchentisch. Das macht uns auch aus. Die Leute nehmen uns das Interesse an ihnen ab. Dass es Störenfriede gibt, nun ja. Damit können wir umgehen.
Welche Themen bewegen in diesem Jahr die Sachsen?
PK: Schwerpunktthema ist dieser fürchterliche Krieg in der Ukraine. Die Menschen haben die große Hoffnung, dass durch Gespräche, durch Verhandlungen, der Krieg zum Stillstand kommt. Sie wissen, dass ihre Kinder zusammen mit ukrainischen Schülerinnen und Schülern lernen, die zu verarbeiten haben, dass der Vater im Krieg gestorben ist oder andere Verwandte umgekommen sind. Und viele Menschen haben auch Angst vor einem Dritten Weltkrieg. Das ist ein großes Thema – und deswegen ist es umso wichtiger, dass wir darüber ins Gespräch kommen, wie wir das zum Beispiel zusammen mit Verteidigungsminister Boris Pistorius gemacht haben. Oder mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der ganz klar erläutert hat, dass er besonnen an jede Entscheidung herangeht, weil es um internationale Abstimmungen geht. Und dass wir der Ukraine ihr Recht auf Staatlichkeit nicht verwehren dürfen.
MD: Diese wichtigen Gespräche führen wir seit Monaten. Jeder wünscht sich Frieden. Es muss aber ein gerechter Frieden sein. Russland als Aggressor darf nicht in der Ukraine gewinnen! Denn das würde auch unsere Sicherheit in ganz Europa gefährden. Er hat die Friedensordnung, die nach 1945 in Europa aufgebaut wurde, zerstört. Niemand anderes. Putin hört nicht freiwillig auf. Er ist unberechenbar, das hat er mehrfach bewiesen. Wir erklären bei unseren Gesprächen übrigens oft, dass keine sächsischen oder andere deutschen Soldaten in der Ukraine kämpfen werden. Dass unsere Regierung sehr überlegt agiert. Diese Panik- und Angstmache von AfD und BSW ist gefährlich und unredlich. Das hilft niemandem – weder der Ukraine noch den Menschen hier.
Welche Aufgaben, die hier zu lösen sind, brennen den Menschen unter den Nägeln?
PK: Ein weiteres Thema ist die Migration. Die Bürgerinnen und Bürger wollen, dass die Menschen, die hier bleiben können und die hier arbeiten, auch hier integriert werden. Dass es da schnellere Entscheidungen gibt. Und die, die kein Recht auf Asyl haben, sollen auch schnell wieder zurückgeschickt werden. Da passiert bereits viel: Wir haben dieses Jahr deutlich weniger Asylanträge, auch durch die Grenzkontrollen. Wir sind auf einem guten Weg.
Außerdem erhalten wir viel Zuspruch für unsere Forderung nach einem sofortigen Kita-Moratorium: Keine Kita darf mehr geschlossen werden. Dass sind wir unseren Kindern, gerade im ländlichen Sachsen, schuldig!
MD: Schon bei den Wahlen im Juni war zu spüren, dass es den Menschen nicht zuerst um den Ausbau der Gehwege, um Radwege oder die neue Turnhalle vor Ort ging. Sie beunruhigen die gesamten Veränderungen, die jetzt durch Klimawandel, die Energiepreis-Krise, die Digitalisierung, aber auch durch den demografischen Wandel auf uns zukommen. Wir müssen den Leuten hier nichts über Transformation erzählen – das haben sie schon einmal erlebt. Und viele haben negative Erfahrungen damit gemacht, kennen Massenarbeitslosigkeit und Deindustrialisierung. Unsere Aufgabe als Politiker ist es, Lösungen aufzuzeigen und Mut zu machen.
Gibt es wirklich so eine negative Stimmung?
MD: Es gibt viel Gemecker und Genörgel. Es geht mir auch ziemlich auf den Keks, wenn die Leute nur noch das Negative sehen und gar nicht mehr das, was sich zum Positiven ändert und verändert hat. Dieses fantastische Potenzial, das wir hier in Sachsen haben, an Wirtschaftsstrukturen, an Forschung und Entwicklung, an einer sozialen Infrastruktur. Sachsen hat seine Hausaufgaben gemacht! Petra und ich gehören zum „Team Zuversicht“. Wenn man keine positive Vorstellung von dem hat, was man tut, kann man seinen Job auch nicht gut machen.
Was hat die SPD denn konkret anzubieten?
PK: Wenn ich zu den Bürgern durchdringen will, muss ich Schwerpunkte setzen. Da ist natürlich das Thema Bildung eines der zentralen Themen, was die Menschen bewegt. Vor jeder Klasse muss ein Lehrer stehen. Schulsozialarbeit muss für alle Schulen verbindlich sein. Schule hat unseren Kindern Wissen und Sicherheit auf ihrem Weg in die Zukunft zu geben.
Die CDU fordert die Einführung eines kostenfreien Vorschuljahres, was die SPD schon mal durchgekämpft hatte und dann unter CDU und FDP wieder abgeschafft wurde.
PK: Ja, wir hatten das schon. Aber schön, wenn die CDU jetzt ihren Fehler einsieht! Wir sagen: Setzt endlich mehr Geld ein, um die Qualität der Kita zu verbessern. Wichtig ist vor allem: Es darf keine weiteren Kita-Schließungen mehr geben, da wird mit der Zukunft unserer Kinder gespielt. Wir fordern noch vor der Landtagswahl ein Moratorium, um Kita-Schließungen zu verhindern. Für uns ist klar: Die Kita vor Ort muss bleiben, das Personal muss auch in Zeiten zurückgehender Kinderzahlen gehalten werden. Das heißt: Der Betreuungsschlüssel muss endlich gesenkt werden, statt Erzieherinnen und Erzieher zu entlassen! Das verbessert die Qualität in den Kitas.
Herr Dulig, was haben Sie erreicht?
MD: Nur ein paar Punkte: Kinder und Jugendliche können nun für 15 Euro im Monat mit dem Bildungsticket fahren, früher zahlten sie oft mehr als das Dreifache. Wir haben eine erfolgreiche Wirtschaftsstruktur, die unseren Familien im Land Sicherheit gibt, dass sie auch in fünf und zehn Jahren noch gute Arbeit haben – Stichworte sind TSMC, DHL, Sunfire… Wir haben den Meisterbonus verdoppelt! Glasfaserausbau steht jetzt im Gesetz und wird komplett vom Staat finanziert. Und wie oft wurde ich von Unternehmern und Lobbyverbänden beschimpft, dass ich mich „zu sehr“ um das Thema Arbeit kümmere? Und jetzt? Die gleichen fordern nun von mir, ihr Fachkräfte-Problem zu lösen! Meine Aufgabe war und ist es, dieses Land in eine Wirtschafts- und Infrastruktur für das 21. Jahrhundert zu überführen.
Wenn man realistisch auf unsere Bilanz der vergangenen zehn Jahre schaut, sieht man, was es heißt, eine stabile Regierung zu haben. Wir haben die Koalitionsverträge gut umgesetzt. Doch weder die Flüchtlingskrise, Corona noch Russlands Krieg in der Ukraine und die dann folgende Energiepreiskrise standen im Koalitionsvertrag. Und wir haben Sachsen gut durch diese Krisen manövriert! Das schreibe ich vor allem unseren SPD-geführten Ministerien und uns auf die Fahne. Davon kann Petra nun wahrlich ein Lied singen.
Sie haben beide in der Corona-Zeit Verantwortung getragen. Wie ist Sachsen durch diese Zeit gekommen?
PK: Wenn ich sage „gut“, wäre das nicht in Ordnung. Wir haben 17.000 Menschenleben in Sachsen zu beklagen, die durch oder an Corona gestorben sind. Das vergessen wir viel zu oft.
Hätten es weniger sein können?
PK: Ich glaube, ja. Wenn von Anfang an die Schwere dieser Krise bekannt gewesen wäre, wenn viele Menschen nicht gedacht hätten, es trifft nur den anderen und mich nicht. Ich bin dafür, dass es eine Evaluierung, eine Aufarbeitung, gibt. Dass eine Enquetekommission schaut: Was waren gute Entscheidungen, was schlechte? Vor allem, wer hat was und wann entschieden? Es gab ja zum Teil Entscheidungen von uns, die vom Bund revidiert wurden. Oder eben auch Entscheidung des Ministerpräsidenten, die er autark mit seinen Amtskollegen traf. Wo wir dann oft mit offenem Mund dasaßen und gesagt haben: „Was machen wir denn jetzt?“ Und ja, es wurden auch Fehler gemacht. Aber nicht um Menschen zu schaden. Ich will keine Abrechnung. Ich will eine Aufarbeitung, damit wir für künftige Krisen besser gewappnet sind. Etwa beim Thema Vorratshaltung. Dass wir zum Beispiel keine Masken hatten, das ist doch für Deutschland nicht würdig, oder? Ich denke, wir haben immer sorgfältig abgewogen, was ist richtig und wichtig war. Wir hatten beispielsweise in Sachsen zirka 100 Schulschließtage in zweieinhalb Jahren – andere Bundesländer hatten 170.
MD: Wir sind alle in eine Situation geraten, wo wir einfach auch gehofft haben, dass unsere Entscheidungen richtig sind. Wir haben uns gut beraten lassen, waren sehr wissenschaftsbasiert – aber auch immer in der Abwägung, was jeder einzelne Schritt für die Menschen bedeutet. Ich habe das Gefühl, dass die, die jetzt nach Maßnahmen gegen diejenigen rufen, die damals Verantwortung übernommen haben, es nicht ernst meinen. Die haben ihr Urteil längst gesprochen. Ich hoffe, dass wir wirklich diese Stärke haben, das alles aufzuarbeiten und damit zur Versöhnung beitragen. Denn Corona hat ganze Familien zerstört.
Als Familienvater mache ich mir schon Gedanken, was Corona mit einer jungen Generation gemacht hat, die ganz anders betroffen war als jede Generation zuvor. Ich hoffe, dass wir wirklich diese Stärke haben, das alles aufzuarbeiten, auch um damit einen Teil zur Versöhnung beizutragen. Denn Corona hat ganze Familien und Freundeskreise zerstört. Die einen waren für das Impfen, die anderen waren dagegen. Und nur mühsam fängt man wieder an, miteinander zu reden.
PK: Ja, das ist notwendig, damit der gesellschaftliche Zusammenhalt wieder gestärkt wird.
Teile der Wirtschaft hatten auch massive Probleme…
MD: Wir haben Sachsen wirtschaftlich gut durch die Krise manövriert. Die harten Fakten sind auf unserer Seite. Die angedrohte Insolvenzwelle kam nicht. Viele Unternehmen haben sich trotz Schwierigkeiten, die sie aus anderen Gründen hatten, gerettet und inzwischen eine neue Perspektive. Der eigene sächsische Weg, den wir gegangen sind – also nicht auf Zuschüsse zu setzen, sondern Unternehmen mit Finanzmitteln auszustatten, damit sie liquide sind – war der effektive Weg. Inzwischen erkennen das auch die Verbände an, die das erst kritisch sahen.
Der große Vorteil für Sachsen war: Petra Köpping hat als Gesundheits- und Sozialministerin mit einer ganz klaren fachlichen Expertise und mit ihrer besonderen Empathie diese Krise hervorragend gemanagt. Sie musste jeden Dienstag vor die Presse treten, musste jede Veränderung rechtfertigen – während sich andere in die Büsche geschlagen und weggeduckt haben. Petra, Du hast bewiesen, dass Du Verantwortung tragen kannst!
PK: Wenigstens Du hast mich ja damals häufig vor die Presse begleitet. Für unser Gesundheitssystem war Corona übrigens ein Lackmustest. Wir haben in der ersten Zeit tatsächlich PatientInnen aus anderen Bundesländern aufnehmen können, weil wir ein sehr gut strukturiertes Leitsystem haben. Wir haben in Leipzig, Chemnitz und Dresden Leitstellen eingerichtet, wo jeder genau wusste, mit welcher Corona-Erkrankung Patienten wo am besten behandelt werden konnten. Auf dem Höhepunkt der Krise haben wir das nicht mehr geschafft. Da haben uns andere Länder geholfen, in die wir dann schwer erkrankte Menschen ausfliegen mussten. Chemnitz führt diese Kooperation mit anderen Bundesländern jetzt als Modellprojekt fort. Das ist eine wirklich gute Schlussfolgerung aus Corona.
Sie haben zusammen viel für Sachsen erreicht. Wollen Sie als Minister weiter zusammenarbeiten?
PK: Selbstverständlich. Wir sind schon seit zehn Jahren als Tandem unterwegs. Und so soll das bleiben. Wir haben eine sehr, sehr gute Zusammenarbeit, stimmen uns gut ab und ziehen an einem Strang. Wir sind fachlich nicht immer einer Meinung. Es wäre fatal, wenn wir das wären. Er ist Wirtschaftsminister. Ich bin Sozialministerin. Aber wir haben den gemeinsamen Anspruch bei allem, was wir tun: Wirtschaft und Sozialpolitik gemeinsam denken. Das ist eine wirkliche Perspektive für Sachsen, die wir auch fortführen wollen.
MD: Ich mach gerne mit Dir weiter! Wir sind ein Spitzenteam. Ich vertraue Petra und unterstütze sie, wo immer ich kann. Uns beide hat immer ausgemacht, dass wir uns – gerade in schweren Zeiten – immer aufeinander verlassen können. Trotz aller Unterschiede. In einer Krise zeigt sich eben der Charakter. Jeder von uns hat seine individuellen Stärken. Das hat auch andere beeindruckt. Wie wir als SPD in dieser Regierungskoalition aufgetreten sind, hat uns den Respekt der anderen eingebracht. Und natürlich wollen wir beide Minister bleiben, um auch die Ernte für die harte Arbeit der vergangenen Jahre nun in der Regierung gemeinsam einzufahren.
Wir haben in den zehn Jahren – jeder in seinem Bereich – so viele wichtige Entscheidungen getroffen, die einfach gut und richtig für das Land sind. Wenn Petra Köpping sich jetzt gegen eine Krankenhausreform zur Wehr setzt, dann, weil sie die Hausaufgaben für Sachsen längst gemacht hat und wir bereits über eine gute Struktur verfügen. Meine Aufgabe war es, dieses Land in eine Wirtschafts- und Infrastruktur für das 21. Jahrhundert zu überführen.
Warum ist es wichtig, dass die SPD stark in den Landtag und in die Regierung kommt?
PK: Weil es in Sachsen nach wie vor viele soziale Defizite gibt. Fangen wir wieder bei der Bildung an: Kitas und Schulen. Wir wollen, dass junge Leute und Familien maßgeblich in ihrem Alltag unterstützt werden, weil es dort viele Defizite gibt. Wenn wir da nachlassen, dann können wir die Menschen nicht fit machen oder, wie man heute so schön sagt, resilient machen für den Arbeitsalltag…
Das trauen Sie einer CDU-BSW-Konstellation nicht zu?
PK: Da sage ich deutlich Nein! Da wird nur in eine Richtung gedacht, dass man von den Menschen einfach nur abfordert. Aber wir wollen die Menschen fördern und fordern. Und das ist ein Unterschied zu dem, was die CDU will und was ein BSW will. Wobei, was das BSW will, weiß keiner. Die sagen nur „Sozialpolitik“, aber wie sie etwas finanzieren wollen, welche Schwerpunkte sie setzen wollen, sagen sie nicht.
Wir haben viel Liegengebliebenes erledigt: Wir haben ein modernes Krankenhaus-Gesetz verabschiedet. 30 Jahre lang ist zuvor unter der CDU nichts Derartiges gemacht worden. Ich möchte, dass wir nun zusätzliches Geld für die Investitionen in die Krankenhäuser stecken. Erst haben wir, lieber Martin, Dein Digitalisierungspaket umgesetzt. Das war wichtig, denn ohne Leitungen unter der Erde kann man keine Digitalisierung im Krankenhaus umsetzen. Aber jetzt sind die Krankenhäuser dran, sich auf den neuen Weg für die Zukunft vorzubereiten.
Herr Dulig, wofür braucht’s die SPD?
MD: Unsere Aufgabe ist es, den Menschen die Sicherheit zu geben, dass es bei den anstehenden Veränderungen gerecht zugeht. Es braucht die SPD, weil wir eine Vorstellung haben, wie es weitergeht. Wir denken den sozialen Zusammenhalt, die soziale Entwicklung und eine gute wirtschaftliche Entwicklung zusammen. Wir verstehen das als zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Die CDU hat meiner Meinung nach keine Idee von der Zukunft für Sachsen! Ich bin immer wieder überrascht, wie schlecht man sein eigenes Land reden kann – wenn etwa die CDU eine Deindustrialisierung herbeiredet. Ich weiß, dass viele an ihrem Diesel hängen – den sollen sie auch gerne weiterfahren. Aber die Zukunft wird die Elektromobilität sein. Schon jetzt kommt jedes vierte deutsche Elektrofahrzeug aus Sachsen. Also darf ich den Standort doch nicht schlechtreden! Alle reden von der neue Wasserstofftechnologie: Wir waren hier schneller. Vor fünf Jahren wurde ich für meinen Einsatz belächelt. Nun hat Sachsen die Voraussetzungen, sogar zwei Jahre vor Bayern und Baden-Württemberg grünen Wasserstoff zu haben und damit eine moderne Stahl- und Chemieindustrie zu versorgen.
Petra Köpping, Martin Dulig will seinen Wahlkreis direkt gewinnen. Hat er eine Chance?
PK: Ja. Er hat es verdient und er hat die Chance. Er hat in den vielen Jahren vor Ort und in Sachsen bewiesen, dass es nicht ums Reden, sondern ums Machen geht. Ich kann den Bürgern in seinem Wahlkreis nur empfehlen, Martin die Stimme zu geben, damit er das, was er begonnen hat, auch fortsetzen kann. Er hat als Minister, Politiker und Mensch Leistung gezeigt hat. Und das sollte man würdigen und anerkennen.
Herr Dulig, Sie werben „Für die Mitte!“ Fast jeder Politiker behauptet, er macht Politik für die Mitte. Was heißt Mitte für Sie?
MD: Ich erlebe Menschen, die der Meinung sind, dass Politik nur noch für andere gemacht wird, sie selbst nicht mehr gemeint seien. Die Mehrheit fühlt sich oft vergessen. Deshalb: Wir müssen in der Politik wieder Maß und Mitte finden, das Machbare in den Mittelpunkt stellen, ohne ambitionierte Ziele in Frage zu stellen. Die Menschen müssen sehen, dass nicht nur geredet sondern gehandelt wird. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass sich Politik nur um die Lautstarken oder die weniger lauten Ränder kümmert. Ich schließe keinen aus. Ich mache ein Angebot für die Mitte unserer Gesellschaft. Ich stehe als Person für Ausgleich, für ein Angebot, wie sich unser Land positiv entwickelt.
Sie wollen mehr als nur SPD-Wähler erreichen?
MD: Ich mache keine Politik nur für Wählerinnen und Wähler einer Partei. Ich möchte genauso Menschen erreichen, die bisher Matthias Rößler von der CDU oder Grün gewählt haben. Gerade die SPD, die bei der letzten Landtagswahl nicht das gewünschte Ergebnis eingefahren hat, hat in den vergangenen Jahren doch bewiesen, dass sie eine Politik für die Mehrheit in unserem Land macht. Das ist das Wesen unserer SPD, die den Anspruch hat, eine Volkspartei zu sein, obwohl wir hier in Sachsen nicht zu den Größten gehören. In dem Sinne, tatsächlich die Interessen der Mitte, der Mehrheit zu vertreten.
Wie haben Sie beide sich eigentlich kennengelernt?
MD: Ich weiß es nicht mehr. Als ich politisch aktiv wurde, warst Du schon lange eine sehr beliebte Bürgermeisterin und hast Dir kommunalpolitische Sporen als selbstbewusste, unabhängige Frau verdient. Ich glaube, den ersten Kontakt hatten wir, als Du Landrätin warst – da war ich noch in der Jugendarbeit. Die SPD ist eine kleine Partei. Irgendwann treffen sich die Leute, die miteinander Verantwortung übernehmen. Und dann wurde ich 2009 Parteivorsitzender und hatte die Verantwortung, als es darum ging, wer für die SPD in den Landtag kommt. Da habe ich Dich natürlich massiv unterstützt.
PK: Ich war ja nicht in der SPD bis 2002. Bin dann ja erst eingetreten. Unser damaliger Chef Thomas Jurk sprach mich an, dass ihm meine Arbeit gefalle und ob ich nicht die stellvertretende Landesvorsitzende der SPD werden kann. Ich habe immer gesagt, ich bin keine gute Parteirednerin…
MD: … Du hast uns immer gesiezt bei Parteitagen!
PK: … zum Teil heute noch. Ich habe mich nie verbiegen lassen. Das habe ich bis heute beibehalten. Mir geht es um Sachpolitik, nicht um die reine Lehre. Deswegen gibt es auch bis heute Widerspruch gegen die eigenen Leute, wenn es sein muss. Etwa wenn ich mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zusammen bin und ich mit dem einen oder anderen nicht einverstanden bin. Martin, Du hast mich schon immer unterstützt, hattest das Vertrauen in mich, hast mein Potential gesehen und hast mich zur Ministerin gemacht. Zweimal!
MD: Und jetzt bist Du unsere Spitzenkandidatin, die ich wieder unterstütze und jedem nur empfehlen kann.
Was wünschen Sie sich persönlich für Sachsen?
PK: Ich habe ja mit Martin einen Wettbewerb – das sind unsere Enkelkinder. Martin hat ja sechs Kinder, aber nur drei Enkelkinder. Ich habe sieben Enkelkinder! Und das achte ist unterwegs. Da freue ich mich wirklich sehr – Familie ist ein Glücksort und meine Energiequelle. Ich habe – wie Du zu Deinen – ein tolles Verhältnis zu meinen Kindern und Enkeln. Da kann ich total relaxen und mich wieder aufbauen. Und für meine Kinder und Enkel wünsche ich mir eine demokratische Zukunft in unserem Land. Denn die Sorge, dass da was kippen könnte, haben viele junge Leute. Ich möchte – und dafür arbeite ich – dass es unser aller Kinder gut geht, dass sie eine gute Perspektive hier haben.
MD: Den Ball kann ich nur aufnehmen. Petra: Unser fünftes Enkelkind kommt. Vorerst bleibst Du zwar noch in Führung, aber wer weiß? Aber Du sprachst gerade von Deiner eigenen Motivation für Politik. Mir geht es da genauso. Wir diskutieren häufig zu Hause über die Zukunft. Und die junge Generation hat ganz andere Zukunftsängste als unsere Generation. Die stellen sich ganz andere Fragen, viel existenzieller. Und das betrifft nicht nur den Klimawandel, sondern eben auch, ob Sachsen demokratisch bleibt und damit eine Heimat für sie. Und genau die Arbeit dafür, dass es so bleibt, ist die ganz persönliche Antriebsfeder für uns zwei.
PK: Noch ein letzter Gedanke: Ich kann nicht verstehen, dass Menschen, die hier in zwei politischen Systemen gelebt haben, sich irgendeine andere Form als unser demokratisches System wünschen. Die ein System zurückwollen, das nicht demokratisch ist, was nicht Freiheit bedeutet, Meinungsfreiheit, Reisefreiheit und alles was damit zusammenhängt. Das sind doch Freiheiten, für die die Menschen 1989 auf die Straße gegangen sind. Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass das vergessen wird, dass man das nicht mehr wertschätzt.
Beenden Sie den Satz: Am 1. September, um 18:01 Uhr, werde ich…
PK: … hoffentlich über das Wahlergebnis froh sein. Glücklich kann man nicht sein, weil wir wissen, wie die Ausgangssituation ist. Ich möchte ein gutes Ergebnis haben, weil wir wirklich tolle Kandidatinnen und Kandidaten haben. Und ich möchte einfach, da spreche ich auch für Dich Martin, dass wir dann unsere Arbeit gemeinsam fortsetzen können.
MD: Einen Schnaps trinken, vielleicht auch ein einen Whisky.
PK: Ich mache mit!
MD: Im Ernst, dann sind die Messen gesungen, dann fällt die Anspannung ab. Ich gehe fest davon aus, dass wir erleichtert sind, weil es gut gegangen ist und Sachsen weiter von demokratischen Parteien regiert werden kann. Denn es steht mehr auf dem Spiel für Sachsen als ein Wahlergebnis der SPD. Es geht wirklich um die Frage von demokratischer Stabilität, die eine gute Entwicklung garantiert. Dann darf man auch erleichtert sein. Wenn das dann noch gekoppelt ist mit einem guten Ergebnis für uns beide und die SPD – wir weiter zusammen Verantwortung übernehmen können – umso besser. Das wird dann der zweite Schnaps.