„Strategisch gewählt“ zurück zur Einheitspartei? 

Wie und ob bei den Landtagswahlen im September strategisch gewählt werden soll, wird nicht erst seit den Äußerungen von CDU-Bundeschef Friedrich Merz am Wochenende heiß diskutiert. Auch Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer wird nicht müde, durch die Lande zu tingeln und um Leihstimmen zu werben – wie übrigens auch schon 2019. Die CDU sei die einzige Partei, welche die AfD verhindern könne. Das ist blanker Unsinn!


Die aktuell prognostizierten Mehrheitsverhältnisse im Sächsischen Landtag sind bekannt. Dass ein größerer Teil der Bevölkerung seine Interessen von einer rechtsextremen Partei vertreten lassen will, ist bedauerlich. Aber es ist eine Tatsache, mit welcher die der Demokratie verpflichteten Parteien umgehen müssen. 

In einer Demokratie sind die Wählerinnen und Wähler der Souverän. Mit ihrer Stimme entscheiden sie, wer ihre Interessen im Landtag vertritt. Doch nicht die prozentual stärkste Partei stellt automatisch die Regierung. Nein, es sind die Parteien, welche sich zu einer Mehrheit im Parlament zusammenfinden – also über 50 Prozent der Abgeordneten stellen. 

Unser Ziel sollte es daher sein, eine Regierung aus der Mitte der demokratischen Parteien heraus zu bilden – ohne die Rechtsextremen. Dies heißt, dass Michael Kretschmer mindestens einen Koalitionspartner benötigen wird, wenn er es ernst meint, die AfD am (Mit-)Regieren zu hindern. Merz‘ Aufruf an die Wählerinnen und Wähler der Ampelparteien, nun ausschließlich die CDU zu wählen, zeugt von einer bedenklichen Respektlosigkeit gegenüber der demokratischen Vielfalt und den Meinungen der Bürgerinnen und Bürger. Und er unterliegt einem fatalen Denkfehler: Denn ohne die kleineren demokratischen Parteien reicht es nicht für eine Mehrheit der Anständigen. Ein Wettrennen „CDU gegen AfD“ provoziert geradezu eine wie auch immer geartete Regierungsbeteiligung der Rechten. Die Behauptung „nur eine Stimme für die CDU garantiert eine stabile Regierung“ ist daher falsch.

Oder will die CDU etwa mit den alten SED-Poststalinisten aus dem Russland-Fanclub BSW stabile Politik machen? Es wäre ein Treppenwitz, wenn die CDU jahrelang die LINKE verteufelt, um am Ende mit völlig regierungsunerfahrenen Wagenknechten zu koalieren. Welches Programm diese Ein-Frau-Partei außer „Gegen…“ und „entweder oder“ verfolgt, ist völlig schleierhaft. 

Es ist bezeichnend, dass die offenbar so unsichere CDU versucht, Wählerinnen und Wähler anderer Parteien zu vereinnahmen, anstatt sich durch überzeugende Inhalte zu profilieren. Warum sucht Michael Kretschmer jeden Konflikt gegen die Ampel? Warum stimmt er mit Alexander Dobrindt den Kanon gegen Flüchtlinge aus der Ukraine an? Weil überzeugende Antworten der Union in Sachsen fehlen und die schnelle Schlagzeile wichtiger ist als die tatsächliche, manchmal auch langwierige und anstrengende Lösung von Problemen. 

Das Bedrohungsszenario, das hier aufgebaut wird, erinnert mich doch sehr an die SED-Propaganda vor 1990. Sehnt sich die CDU in die DDR zurück, wo eine Partei diktierte, wer was zu wählen hat? Mit solchen Äußerungen begeben wir uns in ein gefährliches Fahrwasser. Merz zündelt hier mit antidemokratischen und populistischen Ansichten – die am Ende nicht nur die AfD stärker machen, sondern auch unsere Demokratie gefährden. Er sendet kein Signal der Stabilität, sondern er will aus dem größtmöglichen politischen Chaos politischen Profit schlagen. Das ist der verantwortungslose Versuch, Feuer mit Holzscheiten zu löschen. 

Und inhaltlich? Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die CDU in Sachsen stets zu Reformen und Lösungen zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen immer durch ihre Koalitionspartner, primär die SPD, genötigt wurde. Seit 34 Jahren stellt die Union den Ministerpräsidenten im Freistaat – hat aber seit 20 Jahren keine Ideen mehr für das Land und ist selbst nicht mehr in der Lage, dringend notwendige Reformen und Veränderungen umzusetzen. Warum schieben wir denn einen so großen Reformstau vor uns her? Wo bleibt in Sachsen die längst notwendige Investitionsoffensive in Infrastruktur, Bildung und Zukunft? Eine CDU-Regierung – ob von der AfD toleriert oder mit dem BSW – droht die Fortschritte der vergangenen Jahre rückgängig zu machen, den Reformstau zu vergrößern und die Gesellschaft weiter zu polarisieren.

Ich appelliere an alle Wählerinnen und Wähler, nicht auf schlechte Stimmung und die Angstmache der CDU hereinzufallen. Sachsen braucht eine stabile Regierung. Eine Macherregierung. Eine Regierung, die sich den Herausforderungen unserer Zeit stellt und nicht in die Vergangenheit blickt. Daher: Jede Stimme für die SPD ist eine Stimme für eine gerechte, fortschrittliche und stabile Zukunft. Die SPD Sachsen wird weiter dafür kämpfen, dass alle Stimmen gehört und respektiert werden. Wir sind zuversichtlich, dass die Bürgerinnen und Bürger bei der kommenden Landtagswahl klar und entschieden für eine Politik der Vernunft und des Zusammenhalts stimmen werden.