Von privat bis dienstlich »Nichts davon würde ich eintauschen wollen«

„Was, Sie sind Großvater?“ Diese Frage hört Martin Dulig regelmäßig. Und lächelt dann in sich hinein. Denn er ist vierfacher Großvater und sein ältester Enkelsohn geht längt in die Schule. Im Herbst erblickt „Enkel Nummer 5“ das Licht der Welt. 

„Naja, ich habe halt sehr früh angefangen“, sagt Dulig dann meist. Mit 16 Jahren wird er ungeplant Vater einer Tochter: Nachdem seine spätere Frau Susann – damals 17 – ihm ihre Schwangerschaft beichtet, kippt er im Geschichtsunterricht einfach um. Doch nach dem ersten Schreck steht fest: Wir bauen eine Familie auf! „Vor Verantwortung hat Martin sich nie gedrückt“, sagt Susann. Und vor ihr, seiner großen Liebe seit Jugendtagen, erst recht nicht: Susann und Martin gehen in ihren bisherigen 32 Jahren Ehe durch dick und dünn. Bekommen fünf weitere Kinder – inzwischen sind fast alle aus dem Haus.

Dulig, der bis heute im Posaunenchor seiner Kirchgemeinde Trompete spielt, wird auf Grund seines festen christlichen Glaubens in der DDR nicht zur EOS zugelassen. Der Traum Architekt zu werden zerplatzt. Er lernt Baufacharbeiter mit Abitur: „Ich wollte etwas Praktisches machen. Und Maurer ist ein solider Beruf.“ Doch sein Ausbildungsbetrieb übersteht die Wende nicht – sein Abitur erhält er trotzdem.

Generell sind es die turbulenten Jahre der Friedlichen Revolution um 1989/90, die Martin Dulig zu dem machen, was er heute ist. „Mein Bruder saß im Gelben Elend in Bautzen, das macht etwas mit einem Jugendlichen.“ Er prangert Ungerechtigkeiten an. Doch nur Reden ist ihm schon damals zu wenig: Dulig gründet die Jungen Sozialdemokraten in der DDR mit, wird Jugendreferent in der SPD. In Dresden an der TU studiert er Erziehungswissenschaften und geht in die Erwachsenenbildung.

Freiheit. Gerechtigkeit. Krieg und Frieden. Themen, die ihn prägen. „Wir haben damals, in den 90er Jahren, Hilfstransporte ins verarmte Rumänien und nach Bulgarien gefahren. Später habe ich für die OSZE in den Kriegsgebieten im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina gearbeitet. Es war nur schwer zu ertragen, wie die Menschen im Krieg leiden mussten. Heute, wenn ich die schrecklichen Bilder aus der Ukraine sehen, fühle ich mich wie auf einer Zeitreise.“ Auch deshalb engagiert er sich so sehr für einen gerechten Frieden.

2009 wird Dulig Parteichef der SPD in Sachsen. Führt die Sozialdemokraten 2014 in die Regierung. Seitdem ist er Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr: „Ich musste mich am Anfang sehr reinknien. Aber ich liebe meine Arbeit. Ich gestalte die Zukunftsthemen für unser Land, das ist wirklich spannend, herausfordernd und sehr verantwortungsvoll.“ Auch im Bund steigt seine Bekanntheit – er ist als Bundesminister im Gespräch, will aber in Sachsen bleiben. Er wird Ostbeauftragter für die SPD, Mitglied im Parteivorstand. 

Einen Bonus gibt es dafür zu Hause nicht! Auch in den stressigsten Zeiten bleibt seine Familie, bleibt sein Moritzburg Lebensmittelpunkt. Anker. Energiequelle. „Meine Familie weiß, dass ich einen herausfordernden Job habe. Trotzdem habe ich zu Hause meine Pflichten: Einkaufen, Wäschewaschen und Bügeln, Müll und so weiter. All das ist mir wichtig. Und ich will am Küchentisch hören, wo der Schuh drückt, was am Tag gut lief und was nicht. Das brauche ich!“ 

Einen „Papa“-Bonus haben hingegen Duligs Kinder – egal wie alt sie inzwischen sind. Braucht ihn ein Kind, ist er da: Zum Enkel hüten, Mauer bauen, auf Konzerte gehen, Wandern, ins Theater fahren, Grillen, Musizieren, Familientreffen organisieren, Trösten…

Inzwischen sind die Haare grauer geworden. Martin Dulig trägt Bart und eine Bille. Seine Bilanz nach 50 Lebensjahren? Dulig zeigt sein spitzbübisch-sympathisches Lachen: „Das alles ist mein Leben. Und nichts davon würde ich eintauschen wollen!“

Martin Dulig privat in Moritzburg © Goetz Schleser 22.03.2014

»Martin ist ein Mensch mit einer klaren Haltung und Werten«

Wenn jemand Martin Dulig wirklich kennt, dann seine Ehefrau Susann. Ein Gespräch über Liebe, Stärken und Schwächen.

Frau Dulig, welche Eigenschaften fallen Ihnen bei Ihrem Mann spontan ein?

Martin ist ein wirklich lieber Mensch – in allen Lebensbereichen. Er sieht immer das Gute in anderen Menschen, lässt sich manchmal aber dabei ausnutzen. Außerdem ist er sehr gewissenhaft. Was er macht, möchte er gut und richtig machen. Und er ist ein echter Familienmensch. Es ist ihm ganz wichtig, dass wir als Familie gut harmonieren und so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen.

Was macht Sie an ihm „wahnsinnig“?

Die Handynutzung. Es gab mal den Versuch, handyfreie Zeiten bei uns einzuführen. Spätestens seit meiner beruflichen Selbstständigkeit ging das aber schief. Denn ich muss als Vormund für Kinder und Jugendliche eigentlich immer erreichbar sein. Jetzt zeigt er auf mich, wenn das Telefon aufblinkt: „Siehste, machst du ja auch!“ Diese ständige Erreichbarkeit ist bei uns häufig ein Thema.

Zehn Jahre ist Ihr Mann nun Minister. Wenn Sie zurückdenken, hat er sich verändert?

Nein. Unsere Familienkonstellation hat sich nicht verändert. Er war ja vorher auch als Fraktionschef selten zu Hause. Seine öffentliche Wahrnehmung hat sich vielleicht geändert. Zu Hause ist er anders, als wenn er unter Beobachtung in der Öffentlichkeit ist. Deswegen fahren wir auch immer gern im Urlaub mit dem Wohnmobil in einsame Gegenden. Wo ihn keiner kennt. Da kann er sein, wie er wirklich ist: ausgelassen und fröhlich. Das sind die tollsten Wochen im Jahr. 

Wie lebt es sich als Frau „von Martin Dulig“?

Ich bin nicht Frau „von“. Uns war immer wichtig, dass jeder seinen eigenen Weg gehen kann. Er hat seine Arbeit, ich meine. Ich war nie die Hausfrau hinter dem Minister. Ich habe meine Ausbildung gemacht, studiert und habe – bis auf die Elternzeiten – immer gearbeitet. Ich finde, wir haben das zusammen toll gemacht mit unserer Familie. Jetzt sind ja fast alle ausgeflogen.

Wie gehen die sechs Kinder mit dem Ministerposten um?  

Das hat nie wirklich eine Rolle gespielt. Sie sind ja damit großgeworden, dass ihr Papa eine Person der Öffentlichkeit ist. Unsere Jüngste hat, als sie kleiner war, allerdings ihr Recht auf Zeit mit dem Papa sehr deutlich eingefordert. Und ich finde es nicht gut, wenn Kinder an ihren Eltern gemessen werden oder umgekehrt, wenn Kinder keine Fehler machen dürfen, weil die Eltern in der Öffentlichkeit stehen. Das eine hat doch nichts mit dem anderen zu tun.

Wenn Sie einem Wähler etwas über Martin erzählen müssten, was wäre das?

Martin ist ein Mensch mit einer klaren Haltung, klaren Vorstellungen und Werten. Das eint uns – er ist wahrscheinlich ein bisschen konservativer als ich. Er hat einen sehr großen Gerechtigkeitssinn. Schon immer hat er Hilfstransporte gemacht, sich gegen Rechtsextremismus engagiert, war in der Kirche aktiv. Als 2022 die Ukrainer ins Land kamen, haben wir uns nur angesehen und sofort gesagt, dass wir Menschen aufnehmen und helfen müssen. Man kann sich auf ihn einfach verlassen und dafür liebe ich ihn. Martin sagt nicht heute das eine und morgen das andere, nur weil er damit bei irgendwem punkten kann. Er ist ein sehr offener und ehrlicher Mensch, dem man wirklich vertrauen kann.